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Die Rechtsfähigkeit der Limited nach dem Brexit

Art 54 AEUV, BGH (Trabrennbahn) und BFH Rechtsprechung

Zum 31.12.2020 ist Großbritannien bekanntlich aus dem EU-Binnenmarkt ausgeschieden.

Welche Auswirkungen hat dies auf die Limited in Deutschland?

Zunächst ist anzumerken, dass diese Frage derzeit durchaus nicht einheitlich beantwortet wird. Letztendlich wird sie gerichtlich zu klären sein.

Voreilig erscheint jedoch die pauschale Behauptung, die Limited in Deutschland sei nicht mehr rechtsfähig, weil dies der höchstrichterlichen Rechtssprechung in Deutschland entspräche. Entsprechende Darstellungen wurden vor allem von Behörden in Massenrundschreiben an Limiteds verbreitet.

Richtig ist, dass der BFH in seiner Entscheidung (Beschluss vom 08. Januar 2019, II B 62/18) unter anderem festgestellt hat, dass sich die Rechtsfähigkeit nach der sog. Gründungstheorie richtet, wenn eine Gesellschaft in einem Vertragsstaat der EU, des EWR oder in einem mit diesen aufgrund Staatsvertrags in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat nach dessen Vorschrift wirksam gegründet ist. Das bedeutet zunächst, dass EU-Gesellschaften und Gesellschaften aus Staaten, mit denen ein entsprechender Staatsvertrag geschlossen wurde, in Deutschland rechtsfähig sind und die Gesellschaft in Deutschland darüber hinaus auch als Kapitalgesellschaft mit entsprechender beschränkter Haftung auf das Gesellschaftsvermögen anerkannt wird.

Stammt die Gesellschaft nicht aus einem solchen Staat, kann sie trotzdem rechtsfähig (als Personengesellschaft) sein, wenn sie mehr als einen Gesellschafter hat. Sie wird dann aber nicht als Kapitalgesellschaft anerkannt. Es besteht also persönliche Haftung für die Gesellschafter.

Zwischenergebnis: Nach der BFH-Rechtsprechung sind Gesellschaften dann rechtsfähig, wenn sie mindestens zwei Gesellschafter haben oder in der EU bzw. einem Abkommensstaat wirksam gegründet wurden. In diesem Fall (Gründung in der EU oder im Abkommensstaat) werden ausländische Kapitalgesellschaften auch als solche anerkannt. Neben der Rechtsfähigkeit besteht bei derartigen ausländischen Kapitalgesellschaften also grds. auch keine persönliche Haftung der Gesellschafter.

Beachtlich ist hierbei, dass selbst der BFH in seiner Entscheidung auf die Gründung abstellt. In der Entscheidung heißt es hierzu im Leitsatz Nr 3 wörtlich „….wirksam gegründet ist …“. Keineswegs verneint also die BFH-Rechtsprechung ausdrücklich die Rechtsfähigkeit der Limited in Deutschland. Der BFH stellt nach dem Wortlaut im Leitsatz Nummer 3 vielmehr auf die wirksame Gründung im EU-Staat ab. Im Wesentlichen zum gleichen Ergebnis kommt übrigens auch der BGH in seiner Trabrennbahnentscheidung (BGH Urteil des II. Zivilsenats vom 27.10.2008 - II ZR 158/06 in Randziffer 19). Zugegebenermaßen hatte der BGH zu diesem Zeitpunkt (Trabrennbahn-Entscheidung) keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitgliedsstaat austreten würde. Dies war gerade auch nicht Grundlage seiner Entscheidung, so dass diese Frage auch nicht zu beantworten war. Allein hierin zeigt sich aber auch, dass es falsch ist, pauschal zu behaupten, wir hätten eine klare höchstrichterliche Rechtsprechung zum Thema Rechtsstatus der Limited in Deutschland nach dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt, denn die Frage der Rechtsfähigkeit bei Gründung im EU-Staat mit anschließendem Austritt aus der EU war gerade vom BFH oder BGH nicht zu entscheiden. Zum Zeitpunkt des BFH Beschlusses vom 08. Januar 2019, II B 62/18 war der EU-Binnenmarktaustritt übrigens sehr wohl schon absehbar. 

Der Gedanke auf den Gründungsakt abzustellen findet sich ferner auch in Artikel 54 in Verbindung mit Artikel 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU wieder. In Artikel 49 wird die Niederlassungsfreiheit für EU-Bürger formuliert. Artikel 54 stellt die Voraussetzungen auf, unter denen diese Niederlassungsfreiheit auch für Gesellschaften gilt.

In Artikel 54 heißt es hierzu wörtlich:

„Für die Anwendung dieses Kapitels (gemeint ist u.a. die Niederlassungsfreiheit in Art. 49) stehen die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen Personen gleich, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind."

Limiteds, die vor dem 31.12.2020 gegründet wurden und ihre Hauptniederlassung oder Hauptverwaltung in Deutschland haben, wie es für die meisten Ltds in Deutschland zutrifft, unterfallen damit nach dem klaren Wortlaut des Artikels 54 der Niederlassungsfreiheit.

Die Niederlassungsfreiheit entfaltet unsere Rechtsauffassung nach somit eine Fernwirkung über den Austritt Großbritaniens aus dem EU-Binnenmarkt hinaus, sofern eine Limited vor dem 31.12.2020 gegründet wurde und ihre Haupt-Verwaltung bzw. -Niederlassung in Deutschland hat.

Ergebnis: Es bestehen erhebliche Zweifel daran, die bisherige Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit von Drittlandgesellschaften uneingeschränkt auf die Limiteds in Deutschland anzuwenden, die vor dem 31.12.2020 gegründet wurden, denn dieser Rechtsprechung lagen keine Fälle zu Grunde, bei der die Fernwirkung der Niederlassungsfreiheit nach Austritt eines Gründungsstaates aus der EU zu beurteilen war, also Fälle, in denen eine Gesellschaft in einem EU-Mitgliedsstaat gegründet wurde und dieser Staat dann aus dem EU-Binnenmarkt ausgetreten ist. Selbst wenn man dies ignoriert, ist festzustellen, dass die BFH-Rechtsprechung in Beschluss vom 08. Januar 2019, II B 62/18 - Leitsatz 3, sowie in der BGH Trabrennbahn-Entscheidung Rz. 19, auf den Gründungszeitpunkt abstellt. Gleiches gilt für Artikel 54 des Vertrages über die Arbeitsweise der europäischen Union. Auch dieser schützt ausdrücklich Gesellschaften, die in der EU gegründet wurden und ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der EU haben.

Beide Voraussetzungen sind für die überwiegende Zahl der Limiteds in Deutschland erfüllt. Nach unserer Rechtsauffassung genießen deshalb UK Limiteds, die vor dem 31.12.2020 gegründet wurden und ihre Hauptverwaltung bzw. Hauptniederlassung in Deutschland haben, einen Fernwirkungsschutz der Niederlassungsfreiheit nach Art 54 AEUV. Die bisherige Rechtsprechung steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

Hinweis: Beachten Sie bitte auch unseren neueren (unten verlinkten) Beitrag zum BGH Beschluss vom 16.02.2021
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